Bestehende Rechte und Lasten, sowohl im Grundbuch intabulierte als auch lediglich auf zivilrechtlichen Verträgen und nicht intabulierte Rechte und Lasten, können sich massiv auf den Wert einer Liegenschaft auswirken und kommt diesen somit im Rahmen der Liegenschaftsbewertung eine wesentliche Bedeutung zu. In meiner derzeitigen beruflichen Tätigkeit ist mir kürzlich eine Reallast untergekommen, die nicht selten vorkommt und von der Ausgestaltung sehr unterschiedliche Formen haben kann – Die Reallast Wartung und Pflege. Daher möchte ich diesen Blogbeitrag dem Thema Rechte und Lasten, insbesondere dem Thema Reallast Wartung und Pflege widmen.
Grundsätzlich unterscheidet man Dienstbarkeiten, Reallasten sowie Vorkaufs- und Wiederkaufsrechte. Dienstbarkeiten oder auch Servitute genannt, kann man in die zwei Hauptarten Grunddienstbarkeiten (Real- oder Prädialservitut) und Persönliche Dienstbarkeiten (Personalservitut) unterteilen.
„Die Dienstbarkeit an einer Liegenschaft wird Grunddienstbarkeit genannt und dient der besseren Nutzung des begünstigten Grundstücks. Das Recht steht der Eigentümerin/dem Eigentümer der begünstigten Liegenschaft zu. Die Eigentümerin/der Eigentümer der dienenden Sache ist verpflichtet, etwas zu dulden oder zu unterlassen. Die/der Berechtigte ist zu schonender Ausübung verpflichtet. Diese kann ersessen werden oder infolge der Nichtausübung verjähren. Beispiel: Felddienstbarkeit oder Wegerecht, Weiderecht“ https://www.usp.gv.at/lexikon/dienstbarkeit.html
„Persönliche Dienstbarkeiten stehen ganz bestimmten Personen zu, denen ein Vorteil verschafft werden soll. Dieses Recht endet daher spätestens mit dem Tod der/des Berechtigten. Beispiel: Fruchtgenuss oder Gebrauchsrecht“ https://www.oesterreich.gv.at/lexicon/P/Seite.991241.html
Die aufgeworfenen Belastungen können sich im Rahmen der Liegenschaftsbewertung, je nach Ausgestaltung wesentlich auf den Wert auswirken. Daher ist das Ausheben der dazugehörigen Verträge in der Urkundensammlung unumgänglich.
Eine besonders im Landwirtschaftlichen Bereich recht häufig vorkommende Variante der Reallast ist die „Reallast Wartung und Pflege“. Meist wird zu Lebzeiten der Betrieb an den Nachfolger übergeben und hierfür eine Reallast im Grundbuch eingetragen, meist im Zusammenhang mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot. Im Unterschied zu einem Servitut ist der Eigentümer der Liegenschaft zum aktiven Tun verpflichtet. Meist handelt es sich um wiederkehrende Leistungen wie zb beim Ausgedinge die Pflege bei Krankheit, die Nahrungsversorgung, die Versorgung mit Kleidung, Taschengeld und die Versorgung mit Wärme. Dies wird meist im Übergabsvertrag geregelt. Dieser sollte unbedingt aus der Urkundensammlung ausgehoben werden da erst aus diesem der gesamte Umfang des Ausgedinges ersichtlich wird, ansonsten kann es zu bösen Überraschungen wenn nicht überhaupt zu existenzbedrohenden Situationen des Erben bzw. der potentiellen Käufers einer belasteten Liegenschaft führen. Der Verpflichtete haftet persönlich dafür, nicht nur mit der Liegenschaft.
Gerade eine potenzielle 24 Stunden Pflege kann einen enormen finanziellen Aufwand mit sich bringen. In dem mir bekannten Fall hat mich der sehr niedrige Wert von rund 10.000 Euro, welche für die Reallast Wartung und Pflege im Gutachten abgezogen wurde, stutzig gemacht, und habe daher den Übergabsvertrag ausgehoben. Bei der Berechtigten handelt es sich um eine 78 Jahre Alte Dame. Die Reallast wurde wie folgt vereinbart (Auszugsweise):
- Volle Verpflegung mit allen Haupt- und Nebenmahlzeiten als gemeinsame Tischkost beim Übergeber, wobei auf ihre erfüllbaren Wünsche und ihren Gesundheitszustand stets einzugehen ist; der Übergeberin steht überdies auch das Recht zu, für den eigenen Gebrauch und die hausübliche Bewirtung von Gästen den freien Zutritt für die Entnahme von Speis und Trank aus den Vorräten zu entnehmen. Alle damit verbunden Kosten trägt der Übernehmer
- Wartung und Pflege und Leistungen aller angemessenen Dienste als für die Vertragsteile zumutbare Betreuung im häuslichen Bereich, insbesondere bei Erkrankung und Altersgebrechen, wobei erforderliche Pflegeleistungen vom Übernehmer dann und insoweit zu erbringen sind, als diese Pflegeleistungen üblicherweise im Hause erbracht werden können; ein Pflegegeld ist in diesem Fall zugunsten des Übergebers zu verwenden
- Den ehelichen Söhnen der Übergebering xxx und xxx wird das Recht eingeräumt, das Schlafzimmer im süd-westlichen Bereich sowie das Wohnzimmer und die Küche, Bad und WC wie bisher mitzubenützen und zwar unentgeltlich bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit (NICHT IM GB eingetragen)
Aus den 3 Punkten ergeben sich für mich folgende Fragen und werden diese meiner Ansicht nach, sollte es zu einem Verkauf/Versteigerung der Liegenschaft kommen, eventuell nur gerichtlich vom neuen Eigentümer geklärt werden können. Die Vereinbarung lässt meiner Ansicht nach Interpretationsspielraum und birgt daher Risiken für einen potenziellen Käufer.
Ad 1) gemeinsame Tischkost – Ist der Verpflichtete selbst verpflichtet die Mahlzeit selbst vorzubereiten oder kann diese auch von einem Restaurant oder Essen auf Rädern erfolgen? Bedeutet „gemeinsame Tischkost“, dass die Berechtigte darauf bestehen kann, dass der Verpflichtete zu Mittag und am Abend gemeinsam mit der Berechtigten speisen „muss“?
Ad 2) Wartung und Pflege – muss die Pflege durch den neuen Verpflichteten selbst erbracht werden oder nur im Rahmen der Zumutbarkeit, welche von einem Gericht festgestellt werden muss.
Ad 3) Da das „Wohnrecht“ der Söhne nicht im Grundbuch eingetragen wurde, muss ein Käufer dies gegen sich gelten lassen und wie würde man „Selbsterhaltungsfähigkeit“ definieren.
Aus dem Gerichtsgutachten ist nicht ersichtlich, ob die aufgeworfenen Punkte im Detail analysiert wurden, ist meiner Ansicht nach jedoch, auch in Anbetracht einer möglichen 24 Stunden Betreuung die Reallast iHv. 10.000,– nicht sehr hoch angesetzt. Die Aufgeworfenen Punkte zeigen aber auch wie komplex Rechte und Lasten im Rahmen einer Liegenschaftsbewertung sind und dass sich ein Gutachter im Detail damit auseinandersetzen muss.